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Graf Duckulas Blog

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Graf Duckula

Der Hähnchenhusten

Vor einigen Jahren, als das Thema Vogelgrippe aktuell war, habe ich mal ein Lied geschrieben, es mit MusicMaker vertont und völlig unprofessionell mit einem Headsetmicro eingesungen. Jetzt habe ich mir für den Winter ein Programm zur Erstellung von Animationen gekauft (damit ich bei schlechtem Wetter was zu spielen habe). Na ja, jedenfalls habe ich damit ein Video zum Lied gebastelt. Man bedenke, dass dies mein erster Versuch ist und ich niemals Handbücher lese.Darum gibt’s auch nur eine Szene, keine Kamerafahrten und auch sonst nicht viel. Völlig minimalistisch also. Ja, so entsteht großes Kino ;-)

Leider ist es mir nicht gelungen einen Player hier einzubetten, mit dem man das Video in größerer Auflösung sehen kann. Vermutlich mache ich da was falsch.

Dennoch, hier ist es:

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Besser aber kann man es auf YouTube sehen. Da kann man es dann auch vergrößern bzw. auf Vollbild schalten.

Ich hoffe, es ist nicht allzu schrecklich.

Viele Grüße

Graf Duckula

Graf Duckula

Die Weihnachtsrache

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Das Licht war viel zu hell und der durch eine versteckte Düse geblasene künstliche Lebkuchengeruch stach ihm widerlich süß in die Nase. Promelkow saß in einem unbequemen Hörnerschlitten, dessen hintere Hälfte fehlte. Vorne am Schlitten hatte man zwei Plastikrentiere angebunden. Überall hingen Tannenzweige, kleine goldene Glöckchen, lautlos trompetende Engelchen und unzählige leere, bunte Pakete. Um jedes von diesen war eine große rote Schleife gebunden. Zudem hatte man die ganze Szenerie mit künstlichem Schnee besprüht und mit Lametta behangen.

Der Schlitten stand erhöht auf einem Podest. Links führte eine kleine Treppe hinauf und rechts führte eine kleine Rutsche hinab. An der Treppe wartete eine schlaksige Gestalt darauf das nächste Kind hinauf zu lassen. Diese Gestallt sollte Knecht Ruprecht darstellen, sah aber eher aus wie ein hungriger Robin Hood.

Promelkow schwitze. Der derbe Stoff seiner Verkleidung scheuerte an den Armen und im Genick. Der künstliche Bart fusselte und eine ebenso künstliche buschige Augenbraue schickte sich an ihm auf die Nase zu rutschen. Außerdem musste Promelkow dringend auf die Toilette, eine Not, die durch den aufgeregt auf seinem Schoß umherrutschenden Jungen noch zusätzlich verstärkt wurde.

"Und dann will ich noch..."

Promelkow ließ einen weiteren Schwall von zumeist englischen Begriffen über sich ergehen von denen er noch nie etwas gehört hatte. Ein im falschen Bart verstecktes Mikrofon übertrug die Stimme des Jungen auf mehrere Lautsprecher, damit auch jeder diesen Unsinn hören konnte.

Unsinn war es zumindest in Promelkows Ohren.

Ab und zu sagte er mit tiefer Stimme "hohoho" oder "sososo." Er fragte ob der Junge auch brav gewesen war, und schließlich sagte er knurrig: "Na, dann wollen wir doch einmal sehen." Dann setzte er den widerstrebenden Jungen auf die Rutsche. Unten wurde dieser von einer stolzen Mutter in Empfang genommen.

So ging das nun schon seit Stunden. Anfänglich hatte Promelkow sich noch Mühe gegeben. Er hatte sich Mühe gegeben nett zu den Kindern zu sein und er hatte sich Mühe gegeben nicht daran zu denken wer wohl diesen Bart vor ihm getragen hatte. Dann aber war Promelkow langsam eingedämmert. Bisweilen schien der Zustrom von immer wieder neuen Kindern endlos zu sein. Sie hatten alle dieselben Wünsch, alle dieselben Gesichter und sie rochen alle gleich.

Jetzt kam ein Mädchen das eine komplizierte Puppe wollte, die anscheinend Dinge tun konnte, die Promelkow alles andere als anständig fand. Sehr zur Freude der Anwesenden kannte das Mädchen den Werbeslogan für diese Puppe auswendig und es plärrte ihn fröhlich über die Lautsprecher.

"Hohoho", sagte Promelkow. Er schaute dabei verstohlen auf seine Armbanduhr. Noch zwanzig endlose Minuten, dann würde das Kaufhaus schließen.

In die Warteschlange vor der Treppe kam Bewegung. Eine rotgesichtige Frau drängelte sich vor und zog dabei einen lauthals kreischenden Jungen hinter sich her. Dem Protest der Wartenden schenkte sie keinerlei Aufmerksamkeit. Promelkow erkannte die Frau sofort.

"Knecht Ruprecht! Komm einmal her zu mir", knurrte Promelkow laut ins Mikrofon. Zu dem Mädchen auf seinen Knien sagte er schnell: "Hohoho! Na, dann wollen wir doch einmal sehen." Dabei schob er sie sanft die Rutsche hinunter.

"Was ist denn?" fragte Knecht Ruprecht und beugte sich zu ihm hinunter

Promelkow deckte das Mikrofon mit der Hand ab. "Bring mir die Frau da. Die mit dem roten Gesicht. Nicht das Kind. Die Frau!" flüsterte Promelkow.

"Waaaas", fragte Knecht Ruprecht verblüfft.

"Tu es!"

Knecht Ruprecht zuckte mit der Schulter und ging die Treppe wieder hinunter. "So - Sie sind dran", sagte er zu der Frau.

"Na, hören sie mal..." sagte ein bärtiger Mann in der Warteschlange. "Meine Tochter war doch viel früher da."

"Genau!" sagte jemand anderes, und einige murmelten bestätigend. "Die hat sich doch vorgedrängt."

Die rotgesichtige Frau reckte arrogant ihr Kinn und schob den immer noch kreischenden Jungen zur Treppe.

"Nein nein, der Weihnachtsmann möchte SIE zunächst empfangen."

Der Frau viel die Kinnlade hinunter. "Aber..." Dann wusste sie nicht weiter.

"Nun gehen Sie schon", lachte der Bärtige. "Halten Sie hier nicht den Verkehr auf. Sie hören es doch. Der Weihnachtsmann möchte SIE sprechen.

"Der Weihnachtsmann kann mich..."

"WAS kann Sie der Weihnachtsmann? WAS wollen Sie hier vor den Kindern erzählen", unterbrach sie der Bärtige mit leicht drohendem Unterton.

"Ja, gehen Sie schon. Gehen Sie!" rief eine junge Mutter amüsiert. "Gehen Sie!"

Unsicheren Schrittes erstieg die rotgesichtige Frau die kurze Treppe. Promelkow ergriff schnell ihre Hand und zog sie zu sich heran.

"Was soll das? Was soll ich denn hier?" Erschrocken bemerkte die Frau dass ihre Stimme verstärkt wurde.

"Hohoho. Nun setz Dich doch erst einmal, mein Kind." Promelkow zog sie weiter zu sich heran und sie plumpste auf seinen Schoß. Promelkow verzog schmerzlich sein Gesicht, doch unter dem Bart konnte man das nicht sehen "Bedenke dass Dein Sohn Dich hier sieht. Da wollen wir doch artig sein, nicht wahr?" Promelkow deutete auf den Jungen am Fuß der Treppe, der nun nicht mehr kreischte, sondern der mit großen Augen zu ihnen hinaufschaute. "Bist Du denn auch immer brav gewesen?"

"Ich – äh...", krächzte die Frau mit erstickter Stimme, aber Promelkow sprach weiter.

"Sososo. Du hast doch sicher nie Dein Kind des nachts angeschriene so dass der Mieter, der unter Dir wohnt fast aus dem Bett gefallen wäre?"

"Goch!" rief der kleine Junge am Fuß der Treppe, der an einer großen Zuckerstange lutschte, die Knecht Ruprecht im inzwischen gegeben hatte. Gelächter erklang.

"Und Du schaust auch nie zu tief in Flaschen hinein und lässt auch nie Deinen Fernseher bis morgens in der Frühe bei voller Lautstärke laufen?"

"Ich – äh..."

"Hohoho. Dann bin ich ja zufrieden, und Du wirst sicher auch ein schönes Geschenk vom Christkind bekommen. Du kannst jetzt gehen."

Zittrig stand die Frau auf. Sie wandte sich zur Treppe.

"Nein nein", sagte Promelkow grollend und deutete nach rechts zur Rutsche.

In der kleinen Umkleidekabine, die man ihnen zugewiesen hatte, roch es nach kaltem Rauch.

Knecht Ruprecht war schon gegangen.

Promelkow schaute in den Spiegel über dem Waschbecken.

"Ich habe keine Ahnung, ob es dich wirklich gibt", flüsterte er nachdenklich. "Aber heute hast du mir einen großen Wunsch erfüllt." Dann zog Promelkow den langen weißen Bart von seinem Gesicht.

Graf Duckula

Die Rückkehr der Weihnacht

Es war tief in der Nacht - und es war kalt und einsam. Promelkow versuchte so viel Wärme wie möglich im Körper zu halten, indem er seine Arme fest um sich selber schlang. Leicht vorgebeugt, das Gesicht nach unten, stapfte er durch den Schnee, der selbst auf der Fahrbahn schon eine beachtliche Höhe erreicht hatte. Ab und zu schüttelte er seine Arme aus um zu verhindern, dass der dichte, unablässig treibende Schneegriesel Nester vor seiner Brust bilden konnte. Es wehte ein eisiger, ständig die Richtung wechselnder Wind. Vor ihm führte der kaum noch zu erkennende Verlauf der Straße in ein weißes, leeres Nichts. Nur hier und da wurde die Ödnis durch das düstere Gerippe laubloser Bäume unterbrochen, auf deren dürren Zweigen sich der Schnee kaum halten wollte. Promelkow ging einem ungewissen Ziel entgegen.

Irgendwo dort vorne musste es eine Ortschaft geben. Er erinnerte sich daran an einem Straßenschild vorbeigefahren zu sein, kurz bevor er die Kontrolle über sein Fahrzeug verloren hatte. Da ihm schon dort bewusst gewesen war, dass er seine Fahrt bei diesem Wetter unmöglich würde fortsetzen können, hatte er auf die Entfernungsangabe geachtet. Jetzt blieben vielleicht noch fünf Kilometer um sein Ziel zu erreichen. - Fünf lange Kilometer.

Die Kälte schmerzte und Promelkow verspürte Furcht vor dem Moment, an dem sie aufhören würde zu schmerzen. Er trug nicht einmal einen Mantel und auch sein Kopf war ungeschützt. In seinem Wagen, der so weit hinter ihm im Straßengraben lag, dass er schon lange nicht mehr zu sehen war, hatte er nicht einmal eine Decke gefunden.

Er fühlte wie er immer müder wurde und er beschleunigte seinen Schritt um dagegen anzukämpfen. Vielleicht wäre er besser beim Wagen geblieben, aber da der Motor nicht mehr angesprungen war und somit die Heizung nicht mehr lief, hatte er sich auf den Weg gemacht. Jetzt aber bereuter er dies.

Er musste es schon eine Weile gesehen haben, aber er bemerkte es erst als das Phänomen intensiver wurde: Der Schnee um ihn herum färbte sich in beständigen Intervallen in ein leichtes Rot. Zunächst an eine Sinnestäuschung glaubend blickte Promelkow auf und wollte dann einfach nicht wahrnehmen, was er da sah. Direkt vor ihm, quer über die Straße, stand ein großer Hörnerschlitten. Davor waren fünf Tiere eingespannt. Jeweils zwei links und rechts neben der Deichsel und eines mittig davor. Dieses eine war so erstaunlich dass Promelkow den in einen Mantel gehüllten Mann, der sich auf dem Fußraum des Schlittens gekauert hatte und dessen Gesicht von einer schwarzen, vom Schnee eingezuckerten Pudelmütze halb verdeckt wurde zunächst gar nicht bemerkte. Die übergroße Nase des vorderen Tieres leuchtete nämlich beständig im Sekundentakt rot auf.

Promelkow stand mit weit geöffnetem Mund da und er spürte die feinen Schneekristalle nicht mehr, die in sein Gesicht schnitten. Erst als der Mann in der Kutsche zu sprechen begann, löste sich Promelkows Starre.

"Praktisch - nicht wahr?", sagte der Mann. "Und trotzdem wäre ich froh, wenn ich ein einfaches Warndreieck hätte, denn hinten ist keine Blinkanlage!" Dabei deutete er mit krummem Zeigefinger auf das Heck des Schlittens.

"Was...?" Promelkow brach den Satz benommen ab. Er fragte sich ernsthaft ob er vielleicht gestorben war ohne dies zu merken. So fremd war dies alles -, und merkwürdigerweise doch so vertraut.

"Das ist eine gute Frage, Promelkow." Jetzt hob der Mann seinen gekrümmten Zeigefinger und hielt ihn nach oben. Dabei bewegter er seine Hand hin und her, wie ein Lehrer, der seinen Schülern droht. "Ich nehme an du kannst dich nicht mehr an mich erinnern. - Nein, ich bin sogar sicher, dass du dich nicht an mich erinnern kannst. Das wäre ja auch noch schöner." Der Mann griff neben sich, nahm eine Decke die dort lag und reichte sie Promelkow. "Hier! Du bist ja schon ganz blau."

Promelkow nahm schlafwandlerisch und mit klammen Fingern die Decke und legte sie sich dicht um die Schulter. Erstaunt stellte er fest, dass ihm sogleich wärmer wurde. Er zog die Decke vor seiner Brust zusammen und störte sich nicht daran, dass sie ein wenig streng roch. "D - danke!" stotterte er kopfschüttelnd. "Aber wer um alles in der Welt sind Sie denn?"

"Mein Name ist Knecht. Ruprecht Knecht! Und nicht etwa umgekehrt wie immer behauptet wird." Der Mann seufzte. "Aber komm jetzt. Ich bringe dich zur Stadt. Darum bin ich nämlich gekommen. Und ich sag dir gleich, dass ich mir damit jede Menge Ärger einhandle. Die Chefin wird nicht besonders erfreut sein, wenn sie wieder aus dem Kamin krabbelt, und der Schlitten ist weg. Trotzdem musste ich dir einfach helfen. Keiner soll sagen, dass Ruprecht Knecht nachtragend ist." Er stand auf und setzte sich auf den Kutschbock.

So als würde ihn jemand schieben stieg Promelkow in den Schlitten. Der Mann schnalzte mit der Zunge und die Tiere setzten sich langsam in trabende Bewegung. Die blinkende Nase des vorderen Tieres erlosch. Promelkow kratze sich die Brust. "Also - ich meine - warum nachtragend?" fragte er unsicher. Herr Knecht rutsche vom Kutschbock und setzte sich Promelkow gegenüber. "Du weißt es also wirklich nicht mehr, nicht wahr? Es ist ja auch schon verdammt lange her. Du warst damals noch ein kleiner Junge. Wir hatten grade die Geschenke gebracht, da stürmtest du auf einmal ins Wohnzimmer. Du warst ein richtig kleiner Berserker. Wahrscheinlich dachtest du, wir wollten klauen. Wirklich ein tapferer kleiner Kerl." Ruprecht Knecht lächelte. "Hier", sagte er und zeigte Promelkow dabei ein kleines aufgeschlagenes Buch. 'Promelkow - Glaubt an nichts und niemanden' stand dort in geschwungener Schrift. Jemand hatte mit ungelenker Hand noch etwas dahinter gekritzelt: 'Außerdem hat der kleine Mistkerl verdammt spitze Zähne und mich damit in den Finger gebissen.'

"Ich kann ihn bis heute nicht mehr grade machen", sagte Ruprecht Knecht. "Und die Chefin hatte wochenlang einen dicken Bluterguss am Schienenbein. - Aber was soll's! Ruh du dich ruhig ein wenig aus. Du musst ja schrecklich müde sein." Ruprecht Knecht schwang sich wieder auf den Kutschbock und nahm die Zügel in die Hand.

Der Schlitten glitt sanft dahin. Promelkow spürte wie die Decke seinen Körper angenehm wärmte. Leider nahm mit zunehmender Wärme aber auch der unangenehme Geruch zu. Außerdem kratzte der Stoff. Letzteres war es, dass Promelkow daran hinderte einzuschlafen.

Die Fahrt dauerte nicht lange. Als die Lichter der Ortschaft schon längst in Sichtweite waren hielt der Schlitten. Ruprecht Knecht drehte sich um. "Die letzten paar Meter allerdings musst du schon zu Fuß gehen. Ich möchte wirklich keinen Aufruhr verursachen", sagte er freundlich.

Promelkow stieg aus. Und wieder war es, als würde ihn jemand schieben. Als er die Decke von der Schulter nehmen wollte winkte Ruprecht Knecht ab. "Behalte sie ruhig als Erinnerung."

"Danke", sagte Promelkow. "Vielen Dank." Zögernd stapfte er los. Nach ein paar Metern drehte er sich um und schaute zurück. Der Schlitten war verschwunden. Nicht mal eine Spur im Schnee war zurückgeblieben.

'Ich muss geträumt haben', dachte Promelkow und kratzte sich. Dabei bemerkte er, dass auch die Decke nicht mehr da war - trotzdem blieb es ihm angenehm warm.

Schließlich erreichte er die erste Laterne. Promelkow war in Sicherheit.

Der Wind blies ihnen ins Gesicht. Weit unter ihnen glitt die verschneite Landschaft dahin. Rudolf, das vordere Rentier, drehte seinen Kopf und schaute Ruprecht Knecht belustigt an. "Eins will ich dir aber noch sagen", rief es. "Du bist wirklich ganz schön fies! Dem armen Kerl die verlauste Decke von Zweilinks zu geben war wirklich gemein. Das hintere Rentier in der linken Reihe, das eigentlich Donner hieß, schnaubte empört. Dann kratzte es sich intensiv mit dem hinteren Huf am Hals. Ruprecht aber rieb seinen Zeigefinger und grinste nur.

Graf Duckula

Get Merry Christmas Mr. Promelkow

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Draußen war es schon dunkel. Promelkow legte die Mitte seiner Finger erneut flach auf den Bleistift, dann zog er seine Hand langsam nach hinten. Tack tack tack tack tack. Dieser Tätigkeit widmete sich Promelkow nun schon seit geraumer Zeit. Er sah interessiert zu, wie sich der Bleistift unter seinen Fingern drehte. Tack tack tack tack tack.

Ein lautes Räuspern brachte ihn aus dem Konzept. Promelkow schaute auf und erschrak. Eine große, dicke Frau stand direkt vor seinem Schreibtisch und betrachtete missbilligend sein Tun. Alles an ihr schien irgendwie mürrisch zu sein. Besonders der Ausdruck ihres Gesichts zeigte wenig Freundlichkeit. Promelkow war sofort eingeschüchtert.

"Sie hätten anklopfen sollen", protestierte er halbherzig. "An der Türe steht: Bitte anklopfen! Aber setzten sie sich doch erst einmal." Er deutete mit der linken Hand auf einen abgewetzten Stuhl.

Die Frau schien nicht gewillt sich zu setzten. Sie betrachtete argwöhnisch das leere Büro: Der Stuhl, ein billiges Regal an der Wand und ein einzelner Schreibtisch, hinter dem ein kleiner Mann saß, der zudem mit einem Bleistift spielte, erschien ihr wenig vertrauenerweckend.

"Sie sind eine Agentur für Weihnachtsmänner?" fragte die Frau harsch.

"Nun, genauer gesagt vertrete ich eine Künstleragentur - aber ja, um diese Jahreszeit vermitteln wir hauptsächlich Weihnachtsmänner. Das ist schon richtig." Promelkow zog einen Block zu sich heran. "Mal sehen, sie suchen also einen Weihnachtsmann. Es ist gut, dass sie zu mir gekommen sind. Ich habe tatsächlich noch ein gewisses Kontingent frei." Promelkow lächelte. "Wissen sie, der frühe Wintereinbruch dieses Jahr belebt das Geschäft. Wenn es schneit, vermitteln wir sehr viele Weihnachtsmänner. Für wann soll es denn sein?"

Auf einmal wirkte die Frau eher unsicher. Sie errötete sogar leicht: "Nun, für immer. - Hoffe ich!"

"Hm", machte Promelkow. "Was ich meinte war: Wann soll denn der Weihnachtsmann zu ihnen kommen? Welcher Tag und welche Uhrzeit."

Die Frau senkte leicht den Kopf und steckte sich einen Finger in den Mund. Dabei scharrte sie mit dem rechten Fuß über den verschmutzten Teppichboden. Promelkow fand dieses Verhalten weitaus bedrohlicher als ihr rigides Benehmen zuvor.

"Ach wissen sie", nuschelte die Frau. "Wenn sie einen netten gleich da hätten, würde ich ihn sofort mitnehmen."

Promelkow warf einen kurzen, hilfesuchenden Blick aufs Telefon. Irgendetwas lief hier falsch. "Für wen ist denn dieser Weihnachtsmann?" fragte er vorsichtig. "Für ihre Kinder?"

"Ich habe keine Kinder", sagte die Frau unwirsch. "Glauben sie ich würde einen Weihnachtsmann brauchen, wenn ich Kinder hätte? Außerdem möchte ich keine Kinder! Ich habe genug mit den Kindern anderer Leute zu tun. Können sie mir jetzt einen Weihnachtsmann besorgen, oder nicht?"

Promelkow zuckte mit der Schulter. "Aber wozu brauchen sie denn einen Weihnachtsmann?" fragte er. Dann erhellte sich sein Blick. "Ach, für ihre Enkel..."

"Natürlich nicht! Woher soll ich Enkel haben wenn ich noch nicht einmal Kinder habe? - Sagen sie, sind sie überhaupt qualifiziert?" Die Frau war jetzt zu ihrer ursprünglichen Gereiztheit zurückgekehrt. "Ich will den Weihnachtsmann natürlich für mich selbst. Er soll mir bei der Arbeit helfen." Abermals senkte sich ihr Blick. "Außerdem bin ich ein wenig einsam", fügte sie zwar leise aber dennoch trotzig hinzu.

Promelkow stand langsam hinter seinem Schreibtisch auf. "Hm", machte er und breitete seine Arme aus. "Ich fürchte..."

"Das dachte ich mir", sagte die Frau und ging zum Fenster. Sie öffnete einen Flügel, der offenbar nur angelehnt gewesen war. Promelkow sah mit wachsendem Entsetztem wie die Frau Anstalten machte die Fensterbank zu erklimmen.

"Um Himmels willen", rief er. "Wir sind hier im sechsten Stock. Ich bin sicher, es wird sich schon eine Lösung finden." Promelkow eilte hinter dem Tisch hervor und hielt die Frau am Ärmel fest. Dabei fiel sein Blick nach draußen. Völlig verdattert ließ er den Ärmel wieder los und torkelte einen Schritt nach hinten. "Aber..." stammelte er. “Das - das ist unmöglich!"

Die Frau sprang geschickt in den Schlitten, der draußen in der Luft geparkt war. Sie nahm eine Peitsche aus dem Halter und knallte damit einmal in die Luft. Dann flogen die Rentiere los.

Graf Duckula

Promelkow (2)

Schnee in der Nacht

Im winterlichen Dunkel der beginnenden Nacht und nurvom Scheinwerferlicht angestrahlt schienen die Schneeflocken eine hypnotischeMacht zu besitzen. Sie kamen langsam auf die Windschutzscheibe zu und bildetendabei ein Zentrum, von dem sich Promelkow magisch angezogen fühlte. Immerwieder zog es sein Blick dort hinein. Nur das periodisches Auf und Ab desScheibenwischers unterbrach jeweils den Bann.

Promelkow fuhr vorsichtig. Er fühlte, dass die Räder nur wenig Kontakt zurStraße hatten. Kein anderes Auto war unterwegs. Eine lange Reihe vonAlleebäumen zog bedächtig vorbei. – Ja, es kam ihm wirklich so vor, als würdenicht er, Promelkow, sich bewegen, sondern vielmehr erschien es ihm, als kämenall diese Bäume auf ihn zu. Und wie vor dem Licht der Scheinwerfer flüchtend,erhöhten sie für den Augenblick ihre Geschwindigkeit, um dann wieder langsamerwerdend hinter seinem Wagen weiterhin ihrem unbekannten Ziel zuzustreben.

Promelkow schaltete das Radio ein. Für einen kurzen Moment abgelenkt, erschraker, als er seine Aufmerksamkeit wieder auf die Straße lenkte und dort nun einunerwartetes Hindernis sah. Promelkow trat heftig auf die Bremse. Der Kombischlingerte, er schob über die Vorderräder aber dann griffen die Reifen wieder zuund wenige Zentimeter vor dem anderen Auto kam sein Wagen zum Stillstand.Promelkow wischte sich den Schweiß von der Stirn...

Das andere Fahrzeug stand quer und völlig Unbeleuchtet mitten auf der Fahrbahn.Für einen Moment war Promelkow wie benommen. Er spürte deutlich seinenHerzschlag und erst jetzt wurde er sich der Gefahr bewusst, in der er wohlgeschwebt hatte. Ein paar Sekunden geschah nichts, dann öffnete sich auf dervon Promelkow abgewandten Seite die Fahrertüre des anderen Wagens. Ein Mannstieg aus. Vorsichtig, sich immer wieder an seinem Fahrzeug festhaltend kam derMann dann langsam schlitternd auf Promelkow zu. Auch Promelkow stieg nun aus.

"Ein Reh", sagte der Mann. "Es ist jetzt schon fast eine halbeStunde her. Ich habe es zwar nicht überfahren, aber dafür den Baum dorterwischt." Sein ausgestreckter Finger wies an Promelkow vorbei.

Promelkows machte sich nicht die Mühe dem Fingerzeig zu folgen.

"Sie hätten vielleicht ein Warndreieck aufstellen sollen, HerrGrinat", sagte er ein wenig vorwurfsvoll. "Oder wenigstensStandlicht..."

Der andere Mann kniff die Augen zusammen. Er versuchte sein Gegenüber imgrellen Gegenlicht der immer noch aufgeblendeten Scheinwerfer von PromelkowsWagen zu erkennen.

"Oh", machte er schließlich. "Herr Promelkow!" Man konnteihm deutlich ansehen, dass es ihm unangenehm war diese Feststellung treffen zumüssen.

"Ja", sagte Promelkow.

Der andere Mann atmete tief ein. "Nun", sagte er, und er betonte das"Nun" als wäre es in der Lage die beklommene Stimmung zu heben."Der Wagen ist verzogen. Von dieser Seite sieht man es nicht so, aber ichbekomme weder die Motorhaube noch den Kofferraum auf."

Promelkow warf einen zweifelnden Blick auf das Schrägheck des anderen Wagens.Zur Not würde man den Kofferraum sicherlich auch von innen erreichen können.Der Mann bemerkte Promelkows Zweifel und lachte bitter.

"Erwischt!" sagte er. "Ich habe gar kein Warndreieck dabei. Estut mir leid. Ich wollte niemanden in Gefahr bringen. Was das Standlichtanbelangt..." Der Mann zuckte mit der Schulter. "Die ganze Elektrikscheint ausgefallen zu sein. Ich habe versucht den Wagen von der Straße zuschieben, aber alleine schaffe ich es nicht." Er blickte hinunter aufseine Füße. "Außerdem habe ich wohl nicht die richtigen Schuhe an. Viel zuglatte Sohlen. - Wenn sie so freundlich wären, Herr Promelkow..."

"Natürlich", sagte Promelkow.

Gemeinsam gelang es ihnen das Auto an den flachen Rand der Straße zu schieben.

"So kann er stehenbleiben", sagte Promelkow schließlich. "Ichglaube nicht, dass heute Nacht viel Verkehr herrschen wird. Ich würde ihnen jamein Warndreieck leihen, aber leider habe ich auch keines."

Sie lachten beide. Jeder für sich. So als wäre dies ein Witz gewesen, der nureinem selbst gehören konnte.

"So", Promelkow deutete auf den Kombi. "Steigen sie ein, HerrGrinat. Ich fahre sie zur Stadt, dort finden sie vielleicht einenAbschleppwagen, der bei diesem Wetter bereit ist... oder sie könnten zumindestdie Polizei informieren."

"Danke, Herr Promelkow“, sagte der Mann. "Ich hole nur noch etwas ausmeinem Wagen, und schließe ihn ab. Obwohl - klauen wird ihn wohl keiner."

"Nein, sicherlich nicht."

Als Herr Grinat die Beifahrertüre von Promelkows Wagen öffnete, zuckte er zusammen.Promelkow lächelte leise in sich hinein.

"Oh", sagte Herr Grinat. "Ich habe gar nicht gesehen..." Erwarf einen hilflosen Blick in den Laderaum des Kombis.

"Ja", sagte Promelkow. "Es ist ja auch sehr dunkel. Steigen sieein. Meine Passagiere beißen in der Regel nicht. - Nicht mehr..."

Promelkow fuhr vorsichtig an. Sie schwiegen. Wieder entfalteten dieSchneeflocken ihre hypnotische Wirkung. Wieder zogen die Bäume vorbei. DasRadio spielte ein altes Lied von Jim Croce.

Schließlich räusperte sich der Mann.

"Ich hätte erwartet, dass es wenigstens eine Scheibe zwischen..."Herr Grinat unterbrach sich. "Hören sie, Herr Promelkow", fuhr erdann unvermittelt fort. "Es war nicht allein meine Entscheidung. Siewissen ja selbst, dass es mit der Firma nicht zum Besten steht. Diekonjunkturelle Lage zwang uns förmlich..."

"Ja", sagte Promelkow bitter. "Ich war lange genug ihrBuchhalter. Es hat mich nur erstaunt, dass mein Posten sofort wieder vergebenwar."

Herr Grinat machte Anstalten sich über die Stirn zu streichen. Mitten in derBewegung stoppte er, schaute kurz auf seine Hand und ließ sie dann wiederfallen, als hätte er zuvor etwas Unreines damit angefasst. Etwas, das er jetztnicht auch noch mit seinem Gesicht in Berührung bringen wollte.

"Die moderne EDV verlangt..." Herr Grinat unterbrach sich. "Ichfreue mich jedenfalls, dass sie eine neue Beschäftigung gefunden haben. - Dabeisoll man ja sehr viel verdienen."

"Ich bin nur angestellt", entgegnete Promelkow. "Von derAbfindung konnte ich jedenfalls nicht leben."

Abermals schwiegen sie.

Der Schneefall ließ langsam nach. Der Wagen rutschte, als er einen Bahnübergangpassierte. Promelkow nahm noch weiter das Gas zurück. Die Straße wurde jetztkurviger. Immer wieder brach der Kombi leicht zur Seite aus. Geschickt lenktePromelkow dagegen. Beidseitig der Straße hatten mannshohe Büsche den Platz derAlleebäume eingenommen.

"Geht es der Firma jetzt wenigstens besser?"

Herr Grinat antwortete nicht. Ein klopfendes Geräusch kam aus dem Laderaum.

"Haben sie das gehört?" fragte Herr Grinat, wobei er unwillkürlichflüsterte.

"Was denn?" fragte Promelkow laut.

"Na, das Klopfen da hinten. Sie müssen es doch auch gehört haben."Herr Grinats Gesicht war blaß geworden.

Promelkow steuerte den Wagen vorsichtig durch eine enge Kurve.

"Da war es wieder. Da klopft doch jemand. Um Himmelswillen..."

"Beruhigen sie sich", sagte Promelkow. "In so einem Auto und beiso einem Wetter spielt einem die Phantasie manchmal einen Streich. - Ichjedenfalls habe nichts gehört."

Herr Grinat schaltete das Radio ab. "Da", sagte er.

"Nein", sagte Promelkow. "Meine Passagiere beißen nicht nurnicht – sie klopfen auch nicht. Früher vielleicht... Aber heute ist sich dieMedizin doch schon sehr sicher."

"Aber ich höre es doch deutlich!"

"Glauben sie mir, es war nichts." Promelkow schüttelte den Kopf."Es wäre ja auch schrecklich. Stellen sie sich nur einmal vor. Sieerwachen in so einer engen Dunkelheit und können sich kaum bewegen. Es ist stickig,und sie heben ihre Hand soweit es geht, und sie fühlen das Holz knapp überihrem Gesicht und dann reift langsam die Erkenntnis... Nein, so etwas möchteich sicherlich nicht erleben."

"Hören sie bloß auf", sagte Herr Grinat mit rauer Stimme. "Hörensie bloß auf. Ich habe es aber doch genau gehört."

"Dann hätte ich es aber doch auch hören müssen. Es ist sicher nur diePhantasie. Das ist ja auch wirklich eine beklemmende Atmosphäre."Promelkow seufzte. "Ich habe mich ja mittlerweile daran gewöhnt. – Wusstensie, dass sich früher viele Leute eine Kordel um das Handgelenk binden ließen.Diese Kordel war denn mit einem Glöckchen verbunden." Promelkow lächelte."Sicherlich haben sich die Leute immer bekreuzigt, wenn es windig war, undsie die Glöckchen auf den Gräbern hörten. – Einmal aber, hat so ein Glöckchenbei völliger Windstille gebimmelt und es hörte nicht auf. Als man den Mann dannendlich ausgegraben hatte, war es zu spät. Sein Gesicht soll ganz verzerrtgewesen sein, und man konnte den Schrei immer noch sehen."

Promelkow schaute zur Seite. Herr Grinat saß in sich zusammengesunken, mitwachsbleichem Gesicht im Beifahrersitz. Wieder fuhren sie durch eine Kurve.Abermals rollte die Thermosflasche gegen den leeren Sarg. Promelkow lächelte.

Graf Duckula

Halloween Spezial (1):

Eines meiner Gedichte :-)

Dem Tod, dem geht es gar nicht gut

es fehlt ihm jeder Lebensmut

vor Allem etwas, das ihm reicht

ist, wenn er ankommt, man verbleicht.

Er sagt: "Wenn ich mal zu Besuch erscheine,

dann zittern Jedermann die Beine,

sie werden blass und fallen um,

sie liegen dann dort völlig stumm,

und während ich noch höflich grüße,

vermodern ihnen Leib und Füße."

"Das", sagt der Tod, "ist unverschämt!"

Dabei senkt er den Kopf gegrämt,

ein Zittern fährt durch seine Glieder,

dann holt er Luft und fasst sich wieder.

Er hebt die knochig Hand zur Mahnung,

ein Jedermann gilt seine Warnung:

Käm´ ihm ein Einz´ger noch mal dumm,

so schwört der Tod; den brächt´ er um.

Graf Duckula

Promelkow 1

Eine Kurzgeschichte von Graf Duckula :-)

Der falsche Ort

Promelkow ging an jenem Abend, in jener Stadt, in jene Kneipe, und schon als er den Schankraum betrat, wurde ihm klar, dass dieser hier der falsche Ort war. Hier würde er keine Ruhe und Entspannung finden, so wie er es sich vorgestellt hatte. Doch müde und ausgelaugt von einer langen Reise beschloss er dennoch zu bleiben.

Alles, was sich seinen Augen darbot, war alt und verbraucht. Und so wie die abgegriffenen Tische und Stühle, wie der schmutzige Boden, die vergilbten Tapeten und die verstaubten Bilder, schienen auch die Gäste längst jene Zeit vergessen zu haben, in der man sich einmal um sie gekümmert hatte.

Gleichwohl war die Kneipe gut besucht.

Nach einem freien Platz Ausschau haltend ging er zwischen den eng aneinandergestellten und ebenso eng besetzten Tischen hindurch und blieb schließlich vor einem Tisch stehen, an dem ein einzelner Mann saß. Höflich fragte Promelkow ob er sich setzten dürfe. Der Mann schaute für einen winzigen Moment erstaunt auf, dann senkte er sofort wieder seinen Blick und nickte. So also nahm Promelkow Platz.

Von irgendwo presste sich ein Kellner hervor, nahm unfreundlich die Bestellung auf, und verschwand. Sein Gegenüber blätterte indes lustlos in einer Zeitschrift und schien an einem Gespräch nicht interessiert zu sein.

Der Kellner brachte das Bier, malte einen Strich auf den Deckel, und verschwand abermals. Promelkow trank einen Schluck und zündete eine Zigarette an. Dann lehnte er sich zurück.

Amüsiert betrachtete er einen Mann mit Hut, der, die Runde am Nebentisch, bestehend aus ihm selbst und drei jüngeren Frauen, hörbar und außerdem sichtlich schlecht unterhielt.

Der Mann sprach nicht, sondern er erbrach die Worte, formulierte Sätze in ständig folgende Nebensätze hinein und kotzte sie in fortwährender Belanglosigkeit aus. Eine der Frauen zerknibbelte Bierdeckel, eine Andere starrte mit glasigem Blick ins Leere und nuckelte dabei an ihrer Limonadenflasche.

Von der dritten Frau vermochte Promelkow nur den Rücken zu sehen, aber dennoch vermeinte er die Anspannung ihrer Genickmuskulatur regelrecht spüren zu können. Der Mann mit Hut erzählte von Winterreifen, von dem freundlichen Kellner eines Gasthauses und der Schmackhaftigkeit des Essens dort. Er erzählte von Karten für irgendein Musical und der Schwierigkeit sie zu bekommen und von diesem und jenem. Er verband seine Themen zu einer sinnentleerten Kette von Worten und verpatzte den Kern, den jede einzelne seiner Geschichten für sich genommen sicherlich einmal gehabt hatte. Zudem plapperte er nicht nur einfach vor sich hin, sondern er war um ständige Aufmerksamkeit bemüht und zertrat jeden zaghaften Versuch einer Unterbrechung. Promelkow lächelte.

+Bitte, schauen sie nicht dort rüber+, sagte eine leise Stimme ohne Betonung, ja sogar ohne Anführungszeichen, so als wäre sie es nicht wert überhaupt beachtet zu werden. Im gleichen Moment legte sich eine eiskalte Hand auf seinen Arm. Promelkow zuckte unwillkürlich zusammen. Erschrocken schaute er sein Gegenüber an. Nur mit Mühe unterdrückte er den Drang seinen Arm wegzuziehen, ihn von dieser kalten Hand zu befreien, und ihn damit wieder in seinen Besitz zu bringen.

+Wissen sie, ich muss den Lauf der Dinge für dieses eine Mal verändern, Herr Promelkow+, fügte der Mann vor ihm hinzu, und er bewegte dabei nicht einmal seine Lippen. +Sehen sie, der Mann dort mit Hut, er spürt ihren Blick, er ist schon drauf und dran aufzustehen um ihnen all das zu erzählen, was er immer wieder erzählt. Und wenn er dies tut, wird nicht das mehr geschehen, was gleich geschehen muss. Dann ändert sich der Ablauf, und ich kann nicht mehr ausführen, was ich auszuführen habe. Denn aus irgendeinem Grund sind sie an diesem Ort nicht vorgesehen, Herr Promelkow, und ich will ihnen sagen, dass dies das erste Mal ist, das so etwas passiert. Nun zugegeben, es ist auch das erste Mal, dass ich einen Auftrag dieser Art habe, und ich hoffe inständig, es wird kein zweites Mal geben+

"Woher kennen sie überhaupt meinen Namen und was für einen Auftrag?" Promelkow schaute erstaunt, und auch ein wenig ängstlich in die eisgrauen Augen des Mannes. Dieser lächelte und zuckte mit der Schulter.

+Ich kenne alle Namen+, sagte er. +Selbst Namen, die es längst nicht mehr gibt. Name von denen sie nicht einmal gehört haben. Und was den Auftrag anbelangt... Ach, warum soll ich es ihnen nicht sagen, denn eigentlich sind sie ja doch nicht hier+. Der Mann beugte sich etwas nach vorne und lächelte ein kaltes Lächeln in sich hinein. +Wissen sie, meine übliche Klientel redet nicht mit mir, wie sollte sie auch. Vielleicht tut es gut sich einmal unterhalten zu können+. Er beugte sich noch weiter nach vorne. +Die Frau dort, sie ist die Gattin des Mannes mit Hut, und sie leidet Qualen, die man sich nicht vorstellen kann. Ständig redet er und redet und lässt sie nicht zu Wort kommen. Immer muss sie sein Gequatsche ertragen, und wenn sie versucht sich auf etwas Anderes zu konzentrieren, beispielsweise zu lesen oder sich einen Film im Fernsehen anzuschauen, und auch wenn sie müde ist und schlafen will, dann zupft er an ihrer Schulter und redet auf sie ein. Jetzt ist sie betrunken. Und sie hat den alten Armeerevolver ihres Vaters in der Handtasche. Sie hat sich Mut angetrunken um ihren Mann gleich zu erschießen. Es soll hier passieren, vor allen Leuten. Denn es soll eine Hinrichtung sein und sie will dafür bestraft werden. - Sie ist keine Mörderin. Sie kann sich nur nicht weiter in die Ecke drängen, denn dort ist kein Platz mehr. - Ja, so komisch es klingt, aber sie würde ein Gefängnis als ihre Befreiung ansehen+, abermals lächelte der Mann sein kaltes Lächeln. +Na, wie dem auch sei. Ich muss diese Tat verhindern, denn die Zeit des Mannes mit Hut ist noch nicht abgelaufen+

Promelkow hatte sich dies alles mit wachsender Erheiterung angehört. Jetzt lachte er laut auf. "Dann sind sie sicher ein Schutzengel", sagte er.

+Nein! Der Mann mit Hut hat keinen Schutzengel. Kein Schutzengel würde diesen immerzu fortwährenden Wortschwall ertragen. Verstehen sie, der Mann muss reden. Sein Kopf ist voller Worte. Doch so sehr er sich auch bemüht, es werden nicht weniger. Würde man all die Worte, die er bislang gesprochen hat aneinanderreihen, so wäre das Ergebnis doch ein Nichts. Und würde man den Sinn seiner Worte zu einem Einzigen, alles umfassenden Sinn zusammenschmelzen, so wäre auch dies ein Nichts. Nein, dieser Mann ist einsam. Er hat nicht einmal einen Schutzengel. Er ist eingemauert in eine Gefängnis aus Worten, und je einsamer er sich fühlt um so stärker werden die Mauern.+

"Aber wer in drei Teufels Namen sind sie?"

"Ich bin der Kellner", sagte der Kellner, der an den Tisch getreten war und Promelkows nun leeres Glas an sich nahm. "Noch ein Bier? Hören sie, ich habe sie ein wenig beobachtet. Mit wem reden sie eigentlich? Dort ist doch niemand. Na mir ist es egal, nur machen sie bitte keinen Ärger! Aber gut, ein Bier bekommen sie noch."

Dann passierte alles rasend schnell. Die Frau sprang auf und riss dabei etwas aus ihrer Handtasche. Der Mann mit dem Promelkow gesprochen hatte stand plötzlich, wie aus der Luft erschienen, neben ihr und zerrte ihr den Revolver einfach aus den Fingern. Die Frau starrte auf ihre unerwartet leere Hand und sackte völlig gebrochen zurück in den Stuhl. Der Mann mit Hut schwafelte weiter, und außer Promelkow schien niemand etwas bemerkt zu haben.

Der Mann mit den eisgrauen Augen trat noch einmal an den Tisch, an dem ein nun aschfahler Promelkow saß.

"Wer sind sie", fragte Promelkow leise und bekam gleichzeitig Angst vor der Antwort.

+Ich? – Ich bin der Tod. Es war wirklich mal nett mit jemandem zu plaudern+, sagte der Mann. +Mit jemandem der auch zuhört.+

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